NotizBlog, 27.06.2023
Was Schwimmen und Schreiben gemeinsam haben und wie schreibintensive Lehre gelingen kann, lesen Sie im NotizBlog der Hochschule Bremen.
Ich schwimme gerne. Und ich schwimme viel. Viele beneiden mich darum, dass ich lange Strecken im offenen Wasser schwimmen kann. „Das könnte ich nie“, bekomme ich häufig zu hören oder „Wie schaffst du das nur?“. Weil ich es gelernt habe, lautet die einfache Antwort, und weil ich viel geübt habe und weil ich einen Trainer hatte, der mir gesagt hat, wie ich es richtig machen muss.
Genauso verhält es sich mit dem Schreiben. Wer die Grundlagen beherrscht, viel und regelmäßig schreibt und wer Rückmeldungen auf seine Texte erhält, dem fällt das Schreiben leicht.
Spätestens die Bachelorarbeit stellt viele Studierende vor eine große Herausforderung. Der oder die kann von Glück reden, wenn bereits während des Studiums eine Seminararbeit geschrieben wurde. Denn oft ist die Bachelorarbeit für viele das erste Schreibprodukt. Das ist in etwa so, als müsse man den Ärmelkanal durchschwimmen, obwohl man bisher nur auf dem Trockenen geübt hat.
Auch wenn sich mittlerweile viele Schreibzentren an deutschen Hochschulen etabliert haben, das Schreibenlernen ist nach wie vor eine vernachlässigte Disziplin. Lehrende wie Studierende konzentrieren sich auf die korrekte Anwendung formaler Vorgaben. Literaturverwaltungsprogramme werden schon im ersten Semester eingeführt, ohne dass auch nur ein einziger wissenschaftlicher Text durchgearbeitet, geschweige denn gelesen ist. Aber wirklich viel geschrieben wird im Studium nicht.
Aber nur wer regelmäßig schreibt, wer Schreibroutine entwickelt, für den wird die Bachelorarbeit nicht zur Qual oder möglicherweise sogar abgebrochen. Wer oft schreibt, macht sich keine Gedanken mehr über das Schreiben an sich. Wer regelmäßig zum Stift greift, dem steht ein Denkinstrument zur Verfügung, das hilft zu strukturieren, zu verdichten, zu argumentieren. Wer erst einmal eine gewisse Schreibroutine hat, der entwickelt seine Sprache weiter, dem fällt das wissenschaftliche Arbeiten leicht und der oder die grübelt nicht mehr stundenlang über den einen perfekten Satz.
Deswegen habe ich im letzten Wintersemester Studienanfänger*innen zu Beginn meines Seminars ein Notizbuch ausgehändigt, in dem sie am Anfang jeder Sitzung erst einmal zehn Minuten lang die Lerninhalte der vergangene Uni-Woche festhalten sollten. „Was soll ich denn zehn Minuten lang schreiben?,“ hieß es in der ersten Sitzung noch, aber nach einigen Wochen lagen die Hefte schon bereit auf den Tischen und das Schreiben am Anfang war ein festes Ritual geworden.
Das Lerntagebuch hat funktioniert wie Schwimmflügel: die Studierenden haben dadurch den nötigen Auftrieb bekommen und konnten sich ohne Angst, im akademischen Schreibprozess unterzugehen, erst einmal ausprobieren. Zehn Minuten zu schreiben war bald eine Selbstverständlichkeit. Durch kleine schriftliche Trainingseinheiten und ein regelmäßiges Feedback entwickelten sie ihre Schreibausdauer und ihre eigene Schriftsprache. Am Ende des Semesters waren die Studierenden routinierte Schreiber*innen geworden, und das Beste: Es machte Spaß, die Hausarbeiten zu lesen.
Es geht also doch. Statt uns über die immer schlechter schreibenden Studierenden zu beschweren, sollten wir dem Schreiben feste Trainingseinheiten in unseren Lehrveranstaltungen zuweisen. Textzusammenfassungen, Protokolle oder die schriftliche Ausarbeitung von gezielten Fragen eignen sich sehr gut, um das wissenschaftliche Schreiben zu üben. Anstatt einer großen schriftlichen Ausarbeitung am Ende des Semesters können kleinere Prüfungsleistungen abgefragt werden.
Mindestens genauso wichtig ist es, dass wir unsere Rolle als Trainer*innen wahrnehmen: Studierende brauchen unsere Unterstützung und unser Feedback. Angesichts knapper Zeitbudgets und schlechter Bezahlung ein großer Anspruch an Lehrende, insbesondere an Lehrbeauftragte. Wie schreibintensive Lehre trotzdem gelingen, erfahren Sie in meinem Workshop am 13. September 2023.